In der ärztlichen Weiterbildungsordnung wurde der Begriff „Umweltmedizin“ für unterschiedliche Sachverhalte genutzt: Die Inhalte des Fachgebietes Hygiene und Umweltmedizin bezogen sich überwiegend auf die präventivmedizinischen Aspekte der Umweltmedizin (die alte „Umwelthygiene”) mit bevölkerungsmedizinischer Akzentuierung, während sich die Zusatzbezeichnung Umweltmedizin vorwiegend an die klinischen Fachgebiete mit individualmedizinischem Zugang richtete.
Unter den Aspekten der Öffentlichen Gesundheit liefert die Umweltmedizin bzw. Umwelthygiene wichtige Beiträge zur Abschätzung umweltbedingter Gesundheitsrisiken. Ziel der Umwelthygiene ist es, gesundheitsgefährdende Umwelteinflüsse zu erkennen, zu beschreiben, gegebenenfalls nachteilige Einflüsse zu verhindern. Eine klare Trennung zwischen diesen Aufgaben und der klinischen Umweltmedizin besteht nicht, wenn auch die Schwerpunkte - eher bevölkerungsbezogen bei der Umwelthygiene und eher individualmedizinisch bei der klinischen Umweltmedizin - unterschiedlich gesetzt sind. Klinische Umweltmedizin ist auf bevölkerungsbezogen erhobene Erkenntnisse angewiesen, ebenso wie umgekehrt Erfahrungen an einzelnen Erkrankten wichtige Hinweise für den präventiven Gesundheitsschutz geben. Dem interdisziplinären Charakter des Faches entsprechend, sind auf dem Gebiet der Umweltmedizin neben Medizinern und Medizinerinnen auch viele Natur- und Sozialwissenschaftler und -schaftlerinnen tätig.
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Die Umweltmedizin bedient sich der UmwelttoxikologieToxikologie: Die Lehre von den schädlichen Wirkungen chemischer Substanzen auf lebende Organismen, der Umweltepidemiologie: Medizinische Forschungsrichtung, die sich mit der Entstehung, Verbreitung und Bekämpfung von Epidemien befasst und der Erkenntnisse, die sie aus dem Studium von Einzelfällen „Umweltkranker” gewinnt. Sowohl die Umwelttoxikologie als auch die Umweltepidemiologie mit bevölkerungsmedizinischer Akzentuierung sind - so wichtig ihr Beitrag für die umweltmedizinische Forschung und Praxis ist - allein nicht geeignet, die komplexen, von vielen verschiedenen Faktoren abhängigen Ursache-Wirkungsbeziehungen in der Umweltmedizin angemessen zu erfassen. Der individualmedizinische Zugang bietet ergänzend Möglichkeiten der Erkenntnisgewinnung. In der klinischen Umweltmedizin kann die „Untersuchung des einzelnen Falles“ sehr viel detaillierter erfolgen. Der Umweltmediziner kann bei der Patientenversorgung eine Risikoabschätzung vornehmen und sich in einem die individuelle Risikosituation erläuternden Gespräch mit dem Patienten mit seinen Befürchtungen fachlich kompetent auseinandersetzen. Er leistet dabei einen wesentlichen Beitrag bei der Behandlung umweltassoziierter Gesundheitsbeeinträchtigungen. Allerdings limitiert die Einzelfallbetrachtung grundsätzlich die Verallgemeinerbarkeit. Eine fundierte Diagnostik für Patienten, die sich durch bestimmte Umweltbelastungen gesundheitlich beeinträchtigt fühlen, kann nur im etablierten und vernetzten medizinischen Versorgungssystem (niedergelassene Ärzte und Kliniken) geleistet werden. Dennoch sind wissenschaftlich gesicherte umweltmedizinische Diagnosen bei der aktuellen Umweltbelastung in Deutschland derzeit sicher die Ausnahme. Ähnlich wie mit der Diagnostik verhält es sich mit spezifischen umweltmedizinischen Therapieansätzen. Abgesehen von der probeweisen ExpositionsminderungExposition: die Gesamtheit an Schadstoffen, denen der Organismus ausgesetzt ist oder –karenzExpositionskarenz: Vermeidung von Faktoren oder Bedingungen, die zu einer Belastung des Körpers führen. kann die Umweltmedizin bisher nicht mit wissenschaftlich gesicherten Therapieformen aufwarten. Dagegen besteht ein breites alternativmedizinisches Behandlungsangebot.
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